Studium
Grundsätzliche Überlegungen zum Studium der Mathematik an der PH
Auszug aus einer eMail: "Ich habe nun die Frage, ob sie mir dazu nähere Informationen schicken können, was eigentlich so während des Studiums gemacht wird und wie es abläuft. Ich habe nämlich überhaupt keine Ahnung, wie solch ein Studium aussehen wird, denn so wie Mathe in der Schule wird es wohl auf keinen Fall.
Vorallem würde mich interssieren was man dann für Sachen rechnet, was alles bei der Mathematik für Grundschule dabei ist, und wie solch ein Seminar aussieht/ abläuft, das man besucht.
Entschuldigung, dass ich solche Fragen stelle, aber ich habe überhaupt kein Bild von einem Mathestudium für die Grundschule und mache mir halt gedanken, ob ich das packen würde."
Diese oder ähnliche Fragen stellen sich wohl viele, die ein Lehramtsstudium an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd aufnehmen wollen. Obwohl eine allgemeingültige Antwort aufgrund der unterschiedlichen Erwartungen und Vorkenntnisse der Interessenten kaum möglich sein wird, hier wenigstens der Versuch dazu, bevor es weiter unten auf dieser Seite mit den "harten Facts", den für Sie jeweils verbindlichen Studienordnungen, weitergeht. "So wie Mathe in der Schule" ist das Mathematikstudium an unserer Hochschule nun tatsächlich nicht aufgebaut. Zunächst können Sie das Studium insgesamt nicht mehr mit Ihrer Schulzeit vergleichen:
Studium vs. Schule
Obwohl inzwischen auch ein Studium durch viele "Pflichtveranstaltungen" ziemlich "verschult" ist, wählen Sie die Veranstaltungen, die Sie besuchen wollen, eigenverantwortlich aus dem Vorlesungsverzeichnis aus. Dabei sind Ihnen sicher Kollegen und Kommilitonen aus den fortgeschrittenen Semestern behilflich, aber die Entscheidung, welche Vorlesungsangebote Sie letztlich nutzen, treffen Sie ganz alleine!
In den allermeisten Lehrveranstaltungen kontrolliert niemand, ob Sie anwesend sind. Es liegt in Ihrer eigenen Verantwortung, ob Sie die meist im wöchentlichen Rhythmus angebotenen Lehrveranstaltungen konsequent besuchen oder ob Sie sich mit Hilfe der angegebenen Literatur und den freundlicherweise von Kommilitonen überlassenen Aufschrieben selbst die Inhalte erarbeiten.
Eigenverantwortliches Arbeiten
Überhaupt bekommt das eigenverantwortliche Arbeiten an der Hochschule eine ganz neue Betonung: "Das haben wir aber noch nicht gehabt!" ist eine alte Ausrede aus der Schulzeit, die Sie bei uns auch ganz schnell vergessen müssen. Unsere Vorlesungen und Seminare sollen den Anstoß bilden für Ihr eigenes Lernen und können Sie gar nie lückenlos "belehren". Die Hochschule investiert sehr viel Geld in eine recht ordentlich ausgestattete Bibliothek, deren Angebot Sie unbedingt nutzen müssen, wenn Sie mit Erfolg studieren wollen. Für ein erfolgreiches Studium sollten Sie inzwischen nicht nur auf einen eigenen Computer (Laptop) zugreifen können, sondern dessen Hauptanwendungen (Textverarbeitung, Präsentation, Tabellenkalkulation, ...) wirklich beherrschen und bereit sein, mathematische "Spezialanwendungen" (CAS, dynamische Geometriesoftware, ...) zu erlernen!
Im Laufe Ihres Studiums an einer Pädagogischen Hochschule werden Sie einiges über Lerntheorien erfahren. Die wichtigste Erkenntnis wird sein, dass jedes Individuum durch eigene intensive Auseinandersetzungen mit den relevanten Lerninhalten Wissen aufbauen muss, dass Wissen eigenverantwortlich und aktiv "konstruiert" werden muss, niemand kann durch den berühmten Nürnberger Trichter "belehrt" werden. Wir Lehrende an der Hochschule sehen uns deshalb als "Anreger" und gerne auch als "Begleiter" für Ihren eigenständigen Lernprozess. Das hat nichts mit einem "aus der Verantwortung stehlen" zu tun, Lernen funktioniert vielmehr nur auf diese Weise und Sie sollen genau diese Lehrerinnen- bzw. Lehrerrolle frühzeitig übernehmen und später in die Schule tragen.
Informationspflicht
Zur Eigenverantwortlichkeit im Studium gehört übrigens auch, dass Sie sich relevante Informationen (Studien- und Prüfungsordnungen, Informationen der Fächer an den Infobrettern oder hier im WWW, Klausurtermine, ...) selbst aktiv besorgen. "Das hab ich nicht gewusst!" ist eine Ausrede, die hier im Haus ebenfalls kein Gehör finden wird!
Zu einem Studium sollten Sie sich also - unabhängig von der Fächerwahl - nur entschließen, wenn Sie bereit sind, dieses hohe Maß an Eigenverantwortung und Engagement zu übernehmen. Vielleicht wundern Sie sich, dass Sie während eines Semesters im Durchschnitt nur 10 zweistündige Lehrveranstaltungen besuchen müssen. (Die alte PO nennt 120 Semesterwochenstunden in 6 Semestern für den Studiengang Grund- und Hauptschule und 140 SWS in 7 Semestern für den Studiengang Realschule) 20 "Unterrichtsstunden" sind tatsächlich wenig, verglichen mit der Oberstufe des Gymnasiums. Allerdings gehen Sie nun nicht mehr in die Schule... Rechnen Sie ruhig mit dem Faktor 2 - 3, was den tatsächlichen Zeitaufwand für eine Lehrveranstaltung an der Hochschule betrifft!
Dieses Rechenbeispiel kann seit der Einführung von "credit points" (cp) noch etwas konkreter geführt werden, da pro cp ein "workload" von 30 Stunden erwartet wird. Wie viele cp einer Veranstaltung zugeordnet sind, erfahren Sie im Vorlesungsverzeichnis, in aller Regel sind dies 3 cp für eine Veranstaltung mit 2 SWS, in Ausnahmefällen (Seminare, Hauptseminare) können dies auch mal 4 oder 5 cp sein. Ausgehend vom ersten Beispiel erwarten wir also bei einer Vorlesung mit 2 SWS, welche mit 3 cp ausgebracht ist, eine Arbeitsleistung von 3*30 = 90 Stunden für eben eine solche Veranstaltung. Die Vorlesungszeit eines Semesters dauert (ohne Einführungs- aber mit Prüfunsgwoche) genau 15 Wochen. Dies bedeutet, dass Sie im Schnitt pro Woche 6 Zeitstunden für eine solche Veranstaltung aufbringen müssen. Abzüglich Ihrer Präsenzzeit von 1,5 Stunden sind diese noch 4,5 Stunden an häuslicher Vor- und Nachbereitungszeit pro Woche! Bei den vierstündigen Einführungsveranstaltungen verdoppelt sich dieser Wert natürlich!
Sie können auch anders rechnen, nämlich über die ganze Studiendauer hinweg: Das Lehramtsstudium – egal ob Primar- oder Sekundarstufe – umfasst inzwischen 8 Semester mit insgesamt 240 cp. Diese Zahlen stammen nicht von der Hochschule, sondern stehen so in der vom Kultusministerum verbindlich vorgegebenen Prüfungsordnung! Die Regelstudienzeit von 8 Semesern umfasst 4 Jahre, auf jedes Studienjahr entfallen somit 60 cp, diese entsprechen 1800 Stunden "workload". Wenn Sie sich nun pro Jahr 7 Wochen Urlaub zugestehen wollen, dann bleiben Ihnen noch 45 Arbeitswochen mit jeweils 40 Arbeits-Zeitstunden pro Woche! Und "workload" meint nun nicht Ihre Zeiten beim Kaffeeplausch in der Mensa oder Ihr gemütliches Schlendern durch die Flure der Hochschule, auch Ihre Anfahrtszeiten zur Hochschule fallen nicht darunter!
Mathematik an der PH
So viel zunächst zu den allgemeinen Rahmenbedingungen eines Studiums. Was macht man "eigentlich so" während eines Mathematikstudiums an der Pädagogischen Hochschule? Auch inhaltlich unterscheidet sich unsere Mathematik von derjenigen in der Schule. Dort waren Sie eine sehr "algorithmenzentrierte" Beschäftigung mit der Mathematik gewohnt. Dies heißt, sie hatten Verfahrensweisen gelernt oder aus der Formelsammlung übernommen, in die dann die passenden Zahlen eingesetzt wurden. Die allermeisten unserer Studienanfänger können problemlos eine Funktionsgleichung 7. Grades auch mehrfach nach "Schema F" ableiten. Was sie dabei tun und warum die antrainierten Verfahren funktionieren, das weiß allerdings kaum jemand. Jeder ist in der Lage, die Volumenformel für den Kugelinhalt aus der Formelsammlung zu entnehmen und mit passenden Zahlenwerten zu füllen. Kaum jemand hat jedoch eine plausible Faustformel für das Kugelvolumen parat. Jeder weiß, dass 346285 durch 5 teilbar ist, aber kaum jemand kann dies anschaulich begründen. Jeder liest die obige Zahl als "dreihundertsechsundvierzigtausendzweihundertfünfundachzig", kaum jemand weiß jedoch, was hinter unserem Stellenwertsystem steckt.
Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Sie soll illustrieren, dass es uns mehr auf ein tiefes Verständnis grundlegender Zusammenhänge ankommt und weniger auf eine artistische Handhabung von Formelsammlung und Taschenrechner!
Einführungsvorlesungen
Die Einführungsvorlesung "Artihmetik" beschäftigt sich auf relativ einfacher Ebene mit den Zahlen. Das Stellenwertsystem, Teiler von Zahlen, Primzahlen, ggT und kgV sind sicher Inhalte, von denen Sie schon gehört haben und die als nicht besonders schwierig gelten. Mancher wundert sich denn auch, dass man sich ein ganzes Semester im Rahmen einer vierstündigen Vorlesung mit solchen Trivialitäten befassen kann. Aber wir wollen ja auch diesen einfachen Dingen auf den Grund gehen und Ihnen ausreichend Zeit für Ihre eigenen Beschäftigungen geben. Außerdem werden Sie dabei in die Sprech-, Denk- und Arbeitsweise der Mathematik eingeführt und lernen bereits grundlegende mathematische Strukturen kennen.
Die Einführungsvorlesung "Geometrie" greift ebenfalls auf relativ grundlegendem Niveau die geometrischen Inhalte der Mittelstufe auf, präzisiert diese und dringt dann auch tiefer in die Euklidische Geometrie ein, um ihre Zusammenhänge deutlich zu machen. Erfahrungsgemäß haben Studienanfänger eher Probleme mit der Geometrie. Dies liegt u.a. daran, dass sie seit der Mittelstufe kaum mehr mit der euklidischen Geometrie in Berührung gekommen sind. Es ist somit sicher sinnvoll, sich zuvor nochmals mit den Inhalten der Schulgeometrie (Winkelsätze, Dreieckssätze, Flächeninhalts- und Volumenberechnungen) zu beschäftigen. Erschreckend ist für uns immer wieder, mit welcher "Nachlässigkeit" geometrische Konstruktionen ausgeführt werden: Strichstärken von mehreren Millimetern und verschmierte Zeichnungen entsprechen nicht unseren Vorstellungen von einem sauberem und akkuraten Arbeiten. In diesem Zusammenhang sollten Sie neben Ihrer Arbeitshaltung auch Ihr "Werkzeug" überprüfen: Stumpfe Bleistifte, fette Filzstifte, ausgeleierte Zirkel und ausgefranste Lineale gehören nicht zum Handwerkszeug einer angehenden Lehrerin, sondern schnellstmöglich entsorgt! Um Ihnen die von uns gewünschte Arbeitshaltung möglichst frühzeitig zu vermitteln, beginnen wir die Einführung in die Geometrie mit der Konstruktion von Darstellungen dreidimensionaler Objekte auf der zweidimensionalen Zeichenebene.
Weitere Veranstaltungen
In den höheren Semestern werden Sie je nach Studiengang und Fachschwerpunkt auch wieder auf "alte Bekannte" stoßen, wie zum Beispiel auf Vorlesungen zur "analytischen Geometrie" oder zur "linearen Algebra" oder auch vielleicht für Sie ganz neue Dinge in der Mathematik entdecken.
Neben diesen sogenannten "fachwissenschaftlichen" Veranstaltungen studieren Sie auch die Fachdidaktik. In didaktischen Veranstaltungen erfahren Sie neben lernpsychologischem Grundwissen, welche mathematischen Inhalte Relevanz für die Schule besitzen, wie man Mathematik im Alltag entdecken und für den Unterricht aufbereiten kann.
Lehrveranstaltungstypen
Wie eine Lehrveranstaltung "abläuft", lässt sich nicht verallgemeinern. Das ist zunächst abhängig von der Art der Lehrveranstaltung: In einer "Vorlesung" sind Sie eher "Zuhörer/in", dem bzw. der die Inhalte dargeboten werden. Aber auch in Vorlesungen legen wir großen Wert auf Ihre aktive Mitarbeit und räumen Ihnen hierfür in aller Regel viel Zeit für eigene Entdeckungen und Übungen ein.
Da uns Ihre Eigentätigkeit sehr am Herzen liegt, werden zu Vorlesungen häufig zusätzliche "Übungen" angeboten. Hierfür erhalten Sie konkrete Aufgaben, die Sie allein oder in Kleingruppen bearbeiten und dann in der Übung diskutieren sollen. Sie werden an der Klausur zur akademischen Vorprüfung nur teilnehmen können, wenn Sie "erfolgreich" an den Übungen teilgenommen haben!
Eine andere Veranstaltungsart ist das "Seminar". In Seminaren erwarten wir ganz besonders Ihre aktive Mitarbeit. Durch vorbereitende Aufgaben müssen Sie sich auf jeden Sitzungstermin vorbereiten und einstimmen, um dann Ihre Ergebnisse im Plenum vorstellen und diskutieren zu können. Häufig übernehmen Sie häufig durch ein Referat die Gestaltung eines Sitzungstermins selbst. Hierfür erhalten Sie dann natürlich Anleitung und Hilfestellung durch den jeweiligen Lehrenden. Das "Hauptseminar" ist ein Seminar für Fortgeschrittene, in welchem Sie auf bisher erworbenes Wissen zurückgreifen können sollten.
Studienbegleitende Prüfungen
Bereits während Ihres Studiums haben Sie eine erkleckliche Anzahl von Prüfungen zu absolvieren. Die Prüfungsordnung hat das Studium in "Module" gegliedert, die etwa einen Umfang von 2 bis 3 mit Semestern haben.
Jedes Modul muss mit einer bestimmten Leistung (erfolgreicher Übungsbesuch, Klausur, mündliche Prüfung, …) abgeschlossen werden. Jede dieser Leistungsüberprüfungen kann höchstens zweimal wiederholt werden. Konnten Sie nach insgesamt drei Versuchen die jeweiligen Anforderungen nicht erfüllen, so haben Sie den Prüfungsanspruch im Studiengang verloren.
Dies mag Ihnen hart erscheinen. Es ist aber sicher besser, nach etwa einem Jahr eine deutliche Rückmeldung über die persönliche Eignung für ein Studium zu erhalten, als nach fünf bis sechs Jahren Ausbildungszeit vor dem Nichts zu stehen, weil Sie aufgrund schlechter Noten keine Anstellung im Schuldienst erhalten.
Über die Module 2 und 3 müssen Sie sogenannte akademische Teilprüfungen ablegen. Auch für diese Prüfungen gilt jeweils, dass sie nur einmal wiederholt werden dürfen. Außerdem zählen die Noten dieser Teilprüfungen zur Ihrer Endnote im Abschlusszeugnis.
Am Ende Ihres Studiums schreiben Sie eine wissenschaftliche Hausarbeit in einem Fach Ihrer Wahl und absolvieren weitere mündliche Prüfungen. Über diese und weitere Details zum Studium informieren Sie sich am besten in den für Sie zutreffenden Prüfungs- und Studienordnungen. Deren Inhalte sind letztlich verbindlich, nicht zuletzt deshalb sollten Sie diese genau lesen. Ob Sie das alles "packen" werden, weiß ich natürlich nicht. Wenn Sie allerdings Fleiß, Engagement, Lernbereitschaft und Aufgeschlossenheit für neue Arbeits- und Denkweisen mitbringen, dann haben Sie die wichtigste Basis dafür gelegt, das Studium - wie Unzählige vor Ihnen - erfolgreich zu absolvieren.
Prof. Dr. Helmut Albrecht